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Pilzsprechstunde: Q&A – EOTRH & Cushing beim Pferd: Ist Cordyceps geeignet?

Eine Pferdehalterin war unsicher – hier meine Antwort.

Eine Pferdehalterin wandte sich mit einer wichtigen Frage an mich: Bei ihrem Haflinger wurde kürzlich EOTRH (Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis) im Anfangsstadium diagnostiziert. Der Tierarzt empfahl den Einsatz von Vitalpilzen zur Unterstützung, doch es gab Bedenken – das Pferd leidet gleichzeitig an Equinem Cushing-Syndrom (ECS). Besonders die mögliche Wirkung von Cordyceps auf den Cortisolspiegel sorgt für Verunsicherung. 

Im Internet fand sie den Artikel den Artikel „Fallbeispiele zur Anwendung von Heilpilzen in der Tiermedizin“ von Svenja Thiede (Thiede, 2017). Zwar kommt die Autorin darin zu einem positiven Fazit:  "Insgesamt stellen die Heilpilze eine potente Therapieform dar, die auch ohne weiteres Wissen über TCM zu erlernen ist. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist die Qualität des verwendeten Pilzpräparates und die individuelle Verschreibung." Aber in diesem Beitrag wird auch erwähnt, dass Cordyceps den Kortikosteroidspiegel erhöhen kann, was sie hinsichtlich der Anwendung bei einem Cushing-Pferd verunsichert hat.

Der Artikel von Svenja Thiede gibt's hier zum Download als PDF.

In meiner Antwort gehe ich darauf ein, wie Cordyceps physiologisch wirkt, welche Faktoren bei Cushing-Pferden zu beachten sind, und ob der Pilz in diesem speziellen Fall ratsam ist.

Ein weiteres Anliegen der Pferdehalterin betraf die Dosierung von Vitalpilzen. Sie wurde von Stallkollegen auf zwei unterschiedliche Mischungen aufmerksam gemacht. Diese Produkte unterscheiden sich jedoch erheblich in ihrer Vitalpilz-Konzentration – während eines nur ca. 2 % Vitalpilze enthält, sind es beim anderen etwa 13 %. In meiner Antwort gehe ich darauf ein, wie sich die Dosierung von Vitalpilzen auswirkt, insbesondere bei Vorerkrankung mit Morbus Cushing.

 

Hier meine Antwort im Original (auf Wunsch der Patientenbesitzerin anonymisiert)

Danke für diesen wirklich anregenden Austausch – das führt keineswegs zu weit! Ich finde so etwas immer im höchsten Maße bereichernd für alle Beteiligten – und letztlich geht es um die Sicherheit Ihres Pferdes. Ich habe Ihre Quellen überprüft und meine eigenen Behandlungshinweise (z. B. bei Cushing-bedingter Hufrehe, auch auf meiner Website) kritisch geprüft.

Sie haben Recht mit Ihrem Einwand, tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass Cordyceps sinensis und sein naher Verwandter, Cordyceps militaris, den Cortisolspiegel erhöhen können. Erlauben Sie mir bitte, das einmal in den Kontext zu setzen.

Die von Ihnen unten referenzierte Quelle Fallbeispiele zur Anwendung von Heilpilzen in der Tiermedizin legt ihrerseits die zitierte Studie speziell zu Cortisol/Kortikosteroiden leider nicht offen – das finde ich grundsätzlich problematisch. Daher habe ich meine eigene Recherche angestellt.

Und in der Tat: Es gibt Studien, die sich sowohl mit dem Kortikosteroidhaushalt als auch mit der HPA-Achse unter Einfluss von Cordyceps auseinandersetzen. Das Ergebnis ist wie folgt (mit Link):

🔴 Risiken (Wissenschaftlich belegt):

1️⃣ Erhöhung des Cortisolspiegels (kritisch bei Cushing!)

Cordyceps militaris führte bei Mäusen zu einem Cortisolanstieg von bis zu 34,6 % (♂) bzw. 33,5 % (♀) nach körperlicher Belastung.

📌 Quelle: Song et al., 2015 – PMC

Cordyceps sinensis kann die Corticosteronproduktion in Nebennierenzellen (in vitro!) stimulieren.

📌 Quelle: Wang et al., 1998 – PubMed

2️⃣ Aktivierung der HPA-Achse (Stresshormon-System)

  • Nach 14-tägiger Gabe von Cordyceps militaris stieg Cortisol in männlichen Mäusen vor der Belastung um 34,6 % und nach der Belastung um 24,5 %.
  • 📌 Quelle: Leu et al., 2005 – J-Stage

Was heißt das jetzt aber genau. Wie immer macht die Dosis das Gift und es hat sich in der Tat gelohnt, genauer hinzuschauen:

📌 1. Cortisolsteigerung durch Cordyceps militaris (Song et al., 2015 – PMC)

🐁 Mäusestudie:

  • Dosis: 1,0 g/kg & 2,0 g/kg Körpergewicht (KM) täglich für 14 Tage.
  • Cortisolanstieg:
  •  
    • Weibchen: +33,5 % (1,0 g/kg), +18,6 % (2,0 g/kg) nach Belastung.
    • Männchen: +34,6 % (2,0 g/kg) vor Belastung, +24,5 % nach Belastung.

🐎 Pferdeübertragung:

  • Pferde haben ein stark abweichendes Stoffwechselprofil (langsamer als Mäuse).
  • Allometrische (metabolisch angepasste Körpergewicht Berechnung) Skalierung (M⁰·⁷⁵):
  •  
    • Mäuse: 1–2 g/kg KM.
    • Pferd (~500 kg): Entspräche ca. 83–166 g Cordyceps pro Tag!
  • Reale Pferdedosierung: 1–2 g/100 kg KM (also 5–10 g für ein 500-kg-Pferd).
  • Fazit: Die in Mäusen verwendete Dosis war ca. 8–16x höher als eine übliche Pferdedosis.

🔹 Bedeutung für Pferde:

  • Selbst wenn Cordyceps dosisabhängig Cortisol erhöht, wäre das Risiko bei typischer Pferdedosierung deutlich geringer bzw. aus meiner Sicht absolut beherrschbar, weil die positiven Effekte überwiegen - dazu am Schluss mehr.

Dennoch sollte eine Cortisolüberwachung erfolgen, da schon eine geringe Zusatzaktivierung der HPA-Achse problematisch sein könnte --> aber das ist bei Cushing Patienten ja ohnehin der Fall.

📌 2. Nebennierenstimulation durch Cordyceps sinensis (Wang et al., 1998 – PubMed)

🐀 Rattenstudie (In-vitro):

  • Dosis: Nicht genau spezifiziert, aber ein wasserlöslicher Extrakt wurde an kultivierten Nebennierenrindenzellen getestet.
  • Ergebnis:
  •  
    • Der Extrakt steigerte die Glukokortikoid-Produktion in vitro.
    • Kein Nachweis, dass dies auch in lebenden Tieren in klinisch relevanter Weise geschieht.

🐎 Pferdeübertragung:

  • Keine direkte Vergleichsdosis, da In-vitro-Studie. Noch dazu leider veraltet - 1998 - ich vermute aber, dass diese Studie immer noch zitiert wird.
  • Möglicherweise keine 1:1-Übertragbarkeit auf den gesamten Organismus, da Nebennierenfunktion durch zahlreiche Regulationsmechanismen gesteuert wird.

🔹 Bedeutung für Pferde:

  • Theoretische Grundlage für eine mögliche Cortisolsteigerung durch Cordyceps, aber keine direkten in-vivo-Nachweise.
  • In der Praxis wäre eine signifikante Erhöhung bei Pferden erst bei sehr hohen Dosierungen zu erwarten.

📌 3. HPA-Aktivierung durch Cordyceps militaris (Leu et al., 2005 – J-Stage)

🐁 Mäusestudie:

  • Dosis: 2,0 g/kg KM für 14 Tage.
  • Ergebnis: Cortisolspiegel bei männlichen Mäusen +34,6 % vor & +24,5 % nach Belastung.

🐎 Pferdeübertragung:

  • Allometrische Skalierung:
  •  
    • 2,0 g/kg in Mäusen entspricht ca. 166 g/Tag für ein Pferd.
    • Pferdedosierung beträgt üblicherweise 5–10 g/Tag → ca. 16–33x niedriger als in der Studie.
  • Fazit:
  •  

Risiko der HPA-Aktivierung bei typischer Dosierung sehr unwahrscheinlich, eine Modulierung der HPA Achse hingegen ist die ggw. Meinung, warum Cordyceps auch bei bzw. trotz Cushing eingesetzt wird.

  • Besonders kritisch in Kombination mit Stressfaktoren (z. B. Training, Hitzestress, Krankheit) - bei einem Cushing Patienten ist das aber ohnehin zu vermeiden (so gut es beim Pferd eben geht).

Gegengewichten müssen wir aus meiner Sicht die deutlich positiven Eigenschaften von Cordyceps, der bei Cushing-Pferden gezielt unterstützend wirken kann, wenn der Fokus auf Stoffwechselstabilisierung und Entzündungshemmung liegt und die Dosis korrekt gewählt wird.

1. Blutzuckerregulation und Insulinsensitivität:

  • Behauptung: Cordyceps verbessert die Insulinaufnahme durch Aktivierung der AMPK und senkt den Blutzucker.
  • Korrekte Quelle: Die Studie von Hawley et al., 2020, untersucht den Mechanismus der AMPK-Aktivierung durch Cordycepin, einen Hauptbestandteil von Cordyceps. Die Ergebnisse zeigen, dass Cordycepin die AMPK aktiviert, was zu einer verbesserten Glukoseaufnahme führen kann. Dies unterstützt die Behauptung, dass Cordyceps den Blutzuckerspiegel senken kann. 📌 Quelle: Mechanism of Activation of AMPK by Cordycepin

2. Entzündungshemmung:

  • Behauptung: Cordyceps hemmt NF-κB, TNF-α und IL-6 und reduziert chronische Entzündungen.
  • Korrekte Quelle: Die Studie von Lee et al. (2020) zeigt, dass Extrakte von Cordyceps militaris, insbesondere Cordycepin, entzündungshemmende Wirkungen haben können. Die Extrakte reduzieren die Aktivierung von NF-κB und die Produktion proinflammatorischer Zytokine wie TNF-α und IL-6, was auf eine immunmodulatorische Wirkung hindeutet. Dies legt nahe, dass Cordyceps entzündungshemmende Eigenschaften besitzt.
     

📌 Quelle: Lee et al., 2020 – Immunomodulatory Effects of Cordyceps militaris

3. Immunmodulation:

  • Behauptung: Cordyceps moduliert das Immunsystem und fördert die Produktion von Zytokinen.
  • Korrekte Quelle: Die Übersichtsarbeit von Das et al., 2020, fasst die immunmodulatorischen Effekte verschiedener Cordyceps-Arten zusammen und zeigt, dass sie die Produktion von Zytokinen wie IL-1β, IL-2, IL-6, IL-8, IL-10, IL-12 und TNF-α fördern können. Dies unterstützt die Behauptung der immunmodulatorischen Eigenschaften von Cordyceps. 📌 Quelle wie unter 2. und Cordyceps spp.: A Review on Its Immune-Stimulatory and Other Biological Potentials

4. Antioxidative Eigenschaften:

Behauptung: Cordyceps besitzt antioxidative Wirkungen, die Zellen vor oxidativem Stress schützen.

Korrekte Quelle: Die Studie von Das et al., 2020, beschreibt die antioxidativen Eigenschaften von Cordyceps und wie diese dazu beitragen können, oxidativen Stress zu reduzieren und Zellen vor Schäden zu schützen. Dies bestätigt die antioxidativen Effekte von Cordyceps. 📌 Gleiche Quelle wie 3.: Cordyceps spp.: A Review on Its Immune-Stimulatory and Other Biological Potentials

Mein persönliches Fazit: 

Cordyceps kann bei Cushing-Pferden sowohl positive als auch potenziell problematische Effekte haben. Studien zeigen, dass hohe Dosierungen in Mäusen eine Cortisolsteigerung bewirken können – jedoch in einem Dosisbereich, der 8–33x höher liegt als die übliche Pferdedosierung. In der Praxis ist daher eine erhöhte Cortisolausschüttung bei normaler Dosierung unwahrscheinlich, sollte aber bei empfindlichen Cushing-Pferden überwacht werden.

Auf der positiven Seite unterstützt Cordyceps die Insulinsensitivität, reduziert Entzündungen, stärkt das Immunsystem und schützt die Leber – alles Faktoren, die für viele Cushing-Patienten vorteilhaft sind. Entscheidend ist die korrekte Dosierung (max. 1/100 kg KM) sowie eine individuelle Anpassung an den Stoffwechselstatus des Pferdes

Ich empfehle daher, die Pilze einzeln zu kaufen, pures Pilzpulver zu benutzen und selber zu dosieren. Sie können dafür den Dosierungsrechner auf der Website der Mycelium Pilzkraft nutzen. So haben Sie die volle Kontrolle.

Vitalpilz Dosierung Tiere - Dosierungsrechner! - Mycelium Pilzkraft GmbH - Intuitiv bedienbare Rechner zur Ermittlung von Vitalpilz-Dosierung, Bedarf & Kosten. Basierend auf Gewicht und Therapiedauer - für Hunde, Katzen und Pferde.

Bei EOTRH empfehle ich grundsätzlich die folgende Kombination:

  • Cordyceps
  • Maitake
  • Reishi
  • Shiitake

Selbst wenn Sie Cordyceps weglassen, können Sie mit den restlichen Pilzen das Geschehen (und den Morbus Cushing) Ihres Pferdes positiv beeinflussen. Die Wirkung der übrigen Pilze zu erläutern, würde jetzt in der Tat den Rahmen dieser Email sprengen. Zu diesem Zweck habe ich diesen Leitfaden geschrieben, zu dessen Lektüre ich Sie herzlich einlade:

https://www.vitalpilze-wirkung.de/leitfaden-einsatz-vitalpilze/vitalpilztherapie-gewicht-and-ems/

Mit besten Grüßen - Tom Steinmetz

ENDE der Antwort

 

Abschließende Gedanken

Nach sorgfältiger Analyse der aktuellen Studienlage und der klinischen Praxis überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile von Cordyceps für Cushing-Pferde.

  • Die Wirkung auf den Cortisolspiegel ist bei korrekter Dosierung vernachlässigbar. Die beobachteten Steigerungen in Studien traten vor allem unter Stressbelastung oder extremer Überdosierung auf, die in der Praxis so nicht vorkommen.
  • Selbst wenn der ACTH-Wert oder das Wachstum eines Adenoms bei PPID nicht direkt beeinflusst werden kann, sind die übrigen Effekte – insbesondere die entzündungshemmenden, stoffwechseloptimierenden und hormonregulierenden Eigenschaften – hochgradig relevant.
  • Bei Cushing-Pferden kann eine Kombination mit Maitake (insbesondere bei Übergewicht), Reishi und Coprinus (positiver Einfluss auf die Insulinachse) eine sinnvolle Ergänzung sein.
  • Falls zusätzlich EOTRH vorliegt, wäre eine angepasste Mischung aus Cordyceps, Maitake, Reishi und Shiitake vorteilhaft, da hier viele Synergien bestehen.

Abschließend muss betont werden, dass die Forschungslage zu Vitalpilzen und EOTRH bislang sehr dürftig ist. EOTRH ist eine schwerwiegende Erkrankung, die immer eine tierzahnärztliche Begleitung erfordert. Vitalpilze können unterstützen, ersetzen aber keine gezielte veterinärmedizinische Behandlung.

 

Verabreichung, Therapiedauer und Dosierung

Verabreichung: Grundsätzlich sollte die Einschleichmethode genutzt werden, bis die Zieldosis über einen Standardzeitraum von 28 Tagen erreicht ist. Falls das Tier bereits problemlos Vitalpilze erhalten hat, kann diese Phase individuell verkürzt werden. Alle weiteren Informationen zur Anwendung findet ihr in diesem Leitfaden der Mycelium Pilzkraft: Link!

Therapiedauer: Eine vollständige Therapie umfasst in der Regel drei Monate, einschließlich der Einschleichphase. 

Dosierung: Alle Dosierungshinweise befinden sich auf der Rückseite der Packung oder können mit dem Dosierungsrechner von Mycelium Pilzkraft individuell berechnet werden: Link zu den Dosierungsrechnern.

Therapeuten: Falls Ihr einen Therapeuten in Eurer Nähe sucht, schaut auf jeden Fall in der Therapeutensuche der Mycelium Pilzkraft nach: Link hier!

Hinweis des Autors

Die Inhalte dieser Website dienen ausschließlich Informationszwecken und stellen keine medizinsche Anweisung dar.

Die Inhalte dieser Webseite ersetzen keine (tier-)ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung, keinen Vor-Ort Besuch des Therapeuten und sind auch nicht damit zu verwechseln.

Vitalpilze können eine hervorragende Flankierung laufender Therapien sein und sind potente Mykotherapeutika! 

Aber: das Befolgen von Empfehlungen erfolgt auf eigene Gefahr und in eigener Verantwortung.

Gerade deshalb: Informiere Deinen Therapeuten bitte unbedingt über die geplante Einnahme von Vitalpilzen.

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